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Neustart

Gefühlsmässig völlig durchgeschüttelt kommen wir am 19.12.  morgens im feucht - kalten Frankfurt an.

Wofür wir viereinhalb Monate mit dem Motorrad gebraucht haben, macht der Flieger in knapp 7 Stunden.

Das ging viel zu schnell und wir haben beide das Gefühl: unsere Körper sind hier, unsere Seelen noch in den Emiraten.

Nach 3 Tagen ist dieses Gefühl weg und die letzten Monate werden so irreal. Haben wir das wirklich alles erlebt oder träumen wir?

Ja die Achse Bauch - Gehirn treibt manchmal merkwürdige Spielchen, aber wir haben etwas dazu gelernt, wenn wir im Herbst zurück kommen, werden wir uns Deutschland langsam nähern.

 

Vom Flughafen aus geht es direkt nach Mainz - erster Enkelbesuch.

Es ist wunderbar Anton in den Armen zu halten. Was für ein süsser kleiner Kerl.

Die Feiertage verbringen wir mit der Familie und Silvester traditionsgemäss mit unseren " wirklich alten" Freunden.

Wie jedes Jahr wird ausgiebig geschlemmt und getrunken und stundenlang geredet.

Viele Fragen haben wir beantwortet.

Ein paar dieser Antworten jetzt hier für alle:

Hattet ihr Heimweh?

Ja und Nein. Bernd hatte zwischendurch Heimweh, ganz besonders nachdem Anton geboren war.  In den frühen Morgenstunden hat er häufig schlecht geträumt und sich dabei, wie er selber sagt, irreale Sorgen gemacht. Dann wäre er lieber zu Hause gewesen.Tagsüber war alles gut. Ich selber hatte kein Heimweh. Warum auch immer, aber ich kenne das nicht.

Hat euch nie der Hintern  beim Motorrad fahren weh getan?

Extrem selten und wenn, dann kann man ja auch im stehen fahren. So viel sind wir ja auch gar nicht gefahren. In viereinhalb Monaten waren es 15.000 km mit dem Motorrad und nochmal 1500 km mit dem Auto, macht im Schnitt pro Tag ca. 125 km. An vielen Tagen sind wir auch gar nicht gefahren. Ausserdem bin ich Meister im Anhalten und Pause machen, da ich viel photographiere.

Gab es gefährliche Situationen?

Nein! Wir haben uns nie bedroht gefühlt.

Es waren wirklich alle Menschen, denen wir begegnet sind, nett und hilfsbereit oder zumindest neutral.

Wart ihr krank oder habt euch verletzt?

Wir waren beide 2 Wochen erkältet, was ja nun wirklich nicht spektakulär ist, ansonsten mal einen halben Tag magen-darmkrank. Das war es dann aber wirklich und wir haben alles gegessen, was uns interessiert hat. Ich glaube wir sind beide recht robust. Arbeiten im Krankenhaus härtet ab.

Auch ist Bernd gut mit seinem Diabetes klar gekommen. Er hat unterwegs 11 kg abgenommen, so dass wir die Basalrate ordentlich reduziert haben. Schade ist, dass seine Pumpe im Wadi Shab, beim Schwimmen, einen Wassereinbruch erlitten hat und somit nicht mehr funktioniert. Jetzt haben wir keine Ersatzpumpe mehr und eine Urlaubspumpe ist bei der Firma Roche auch nur für max. 6 Wochen zu bekommen. Da ist man dort leider gänzlich unflexibel. Man hat uns angeboten eine Insulinpumpe für 6 Monate für 480 Euro zu leihen. Das ist zu teuer! Bernd wird also nicht mehr mit Pumpe schwimmen gehen und wir hoffen, dass es keine Probleme geben wird.

Mich hat in Georgien während der Fahrt bei 80 h/km ein grösserer Stein am Schienbein getroffen. Trotz Motorradklamotten und Stiefel gab es eine Wunde und es hat geblutet.Ich will mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn ich ohne Schutzausrüstung unterwegs gewesen wäre. Es gab eine dicke, hässliche Beule, die fast 2 Monate gebraucht hat, sich zurück zu bilden.

Seid ihr gestürzt?

Oh, oh. Mein dunkelstes Kapitel, das hiermit ans Licht kommt. Ich führe eine Sturz- bzw. Umfallstatistik.

Achtmal habe ich neben meinem Motorrad gelegen. Das erste Mal noch in Deutschland an einer Tankstelle. Ich wollte neben der Säule anhalten und es war alles klatschnass vom Regen und rutschig durch Benzin. Ich habe es nicht gesehen und zack, da war es schon geschehen. Am Tag drauf dann beim Wenden auf einem schotterigen Parkplatz am Hang in der Schweiz. Hier habe ich leider auch einen Spiegel zerstört und Bernd hat mich gefragt, ob ich wirklich in den Iran möchte. Was für eine Frage??!!

Alle weiteren Stürze waren gottseidank materialneutral. Zweimal noch auf total matschiger, seifenglatter Piste in Südgeorgien, einmal auf sandiger Piste im Iran und einmal in der Altstadt von Shiraz bin ich in der glatten, regennassen Rinne, die in der Mitte der kleinen Gasse verlief, durch die unser Weg führte, ausgerutscht. Diese viermal verzeihe ich mir, die beiden restlichen Umkipper waren einfach nur dämlich von mir und ich hätte beide Male schreien können. Schauen wir mal was das neue Jahr so bringt.

Der Blog hört sich so harmonisch an. Habt ihr euch nicht gestritten?

Aber natürlich! Meinungsverschiedenheiten werden bei uns ausgefochten und wenn man 24h am Tag zusammen ist, kann man nicht immer einer Meinung sein. Natürlich möchte man manchmal den Anderen am liebsten auf den Mond schicken, aber die Summe der guten Momente überwiegt deutlich. Es ist schon irre wie oft wir die selben Sachen gedacht haben oder zeitgleich in der Intercom gesagt haben:  Hast du das gesehen!?

Wir können ganz gut zusammen reisen und in der Summe ist das einfacher, als Alltag zu Hause.

Gibt es bei euch eine Rollenverteilung?

Ja. Ich bin die Planerin und schlage Route, Unterkunft, Sehenswürdigkeiten usw. vor. Häufig fahren wir aber auch los und wissen nicht wo wir abends sein werden. Damit musste sich Bernd erst anfreunden. Er ist für die Motorräder zuständig und ist, wenn wir selber kochen, auch meistens der Koch.

Er achtet darauf, dass wir mittags rechtzeitig genug irgendwo essen, da ich sonst ziemlich unleidlich werde.

Apropo Motorradtechnik. Die Batterien waren 3x leer. Es steht 2:1 für mich, vielleicht sollte ich besser sagen gegen mich. Gottseidank haben wir eine dicke Powerbank dabei, mit der man ein Motorrad starten kann.

Ist das nicht unbequem zu zelten?

Ja und nein. Im Vergleich zu einer Luxusherberge ja, im Vergleich zu einem einfachen Hostel eher nein. Bett heisst ja nicht automatisch, dass es bequem ist. In der Summe haben wir "nur" 50 Nächte im Zelt verbracht und 84 in Hostels / Hotels oder Ähnlichem. Wir haben sehr gutes Zeltequipment und fühlen uns in unserer "Höhle" richtig wohl. Was gibt es Schöneres als ohne Überzelt einzuschlafen und aufzuwachen mit direktem Blick in den Himmel. Wenn der Rücken dann doch mal zwickt, wird einfach eine Diclofenac eingeworfen. Fertig.

Jetzt sind wir aber schon wieder mit Vorbereitungen beschäftigt. 4 Motorradreifen (27 kg) müssen gemischt mit Klamotten gepackt werden, da bei der Lufthansa kein Gepäckstück mehr als 23 kg haben darf. Auch 20 Glucosesensoren und 20 Insulinampullen müssen mit. Bei den Anziehsachen haben wir nochmal ordentlich reduziert. Links neben der Harribotüte sind meine beiden Kompressionstaschen und rechts, die Rote, ist von Bernd.

Hätte nicht gedacht, dass ich mich so reduzieren kann.

Unsere dicken Schlafsäcke sind ausgetauscht gegen dünne Sommerschlafsäcke. Das bringt insgesamt nochmal gut 2,5 Kilo weniger.

Jetzt stehen noch ein paar Besuche an und dann fliegen wir am 7.1. wieder in die Wärme nach Dubai.

Wir freuen uns auf den zweiten Teil unserer Reise und sind gespannt was da noch so kommen wird.......

Die Neugierde treibt uns weiter an.